Wer in einem Lexikon unter dem Stichwort „Judo“ nachschlägt, wird Hinweise über den Begründer dieser Sportart, Kanō Jigorō, erhalten, der das Judo im ausklingenden 19. Jahrhundert aus den Kampfkünsten der japanischen Samurai entwickelte. „Judo“ heißt übersetzt etwa soviel wie „der sanfte Weg zur Geistesbildung“, was ahnen läßt, daß die Gründerväter in diesem Sport weit mehr sahen, als eine besonders effektive Art des Fitnisstrainings. Ihnen lag viel an der mit diesem Sport verbundenen Charakter- und Persönlichkeitsformung. Die tiefgründige Bedeutung, die das Judo für diese Japaner hatte, kann man vermutlich nur verstehen, wenn man sich mit der japanischen Kultur und den philosophischen Traditionen dieses Landes auseinandersetzt.
Man braucht aber kein Kulturhistoriker zu werden, wenn man sich der Faszination Judo hingeben möchte. Die Grundidee des Judo besteht in dem nach festen Regeln geführten fairen Zweikampf, in dem der Partner durch Wurftechniken oder bestimmte Bodentechniken, wie Halte-, Hebel- oder Würgetechniken, bezwungen werden soll. Dabei stehen also der Sport und die körperliche Bewegung im Vordergrund, wobei man eine besondere Einstellung zum Körper gegenüber entwickelt. Es gibt wohl kaum eine Muskelgruppe, die beim Judo-Training nicht in Anspruch genommen wird, und kaum eine denkbare Bewegung, die nicht ausprobiert wird. Die Bewegung, die Kraft und das Gewicht des Partners auszunutzen, ist eines der Prinzipien im Judo. So entwickelt der Judoka mit der zeit nicht nur ein besonderes Gespür für den Partner und dessen Bewegungen, sondern notwendigerweise auch für seinen eigenen Körper und seine eigenen Fähigkeiten. Die grundlegenden Prinzipien des Judo gibt es seit nunmehr über 100 Jahren, doch entwickelt sich der Sport ständig weiter und bringt immer neue Techniken und Bewegungsabläufe hervor. Er ist ein Sport, der nie langweilig werden kann!
Wer kann Judo betreiben?
Die Antwort auf diese Frage läßt sich kurz fassen: Jeder kann Judo betreiben. Mädchen und Jungen, Frauen und Männer oder Oma und Opa können sich auf der Judomatte betätigen. Natürlich sind die Zielsetzungen der einzelnen Übungsgruppen so verschieden, wie die Wünsche der Teilnehmer.
Kindern wird man die Judotechniken sehr spielerisch vermitteln. Beim Judo können Kinder auf faire Weise ihre Kräfte messen und ihren natürlichen Trieb zum „Raufen“ befriedigen. Dabei lernen sie gleichzeitig, mit dem Partner rücksichtsvoll umzugehen und ihn nicht zu verletzen. Sie gewinnen an Selbstbewußtsein und gleichzeitig an Respekt und Achtung ihrem Partner und den anderen Mitgliedern der Übungsgruppe gegenüber.
Etwa im zwölften Lebensjahr lernen Jugendliche Bewegungsabläufe am leichtesten. In diesem Alter wird der Wettkampf zunehmend in den Vordergrund des Trainings gestellt. Man beginnt, den Unterricht stärker zu differenzieren und auf die Fähigkeiten und Wünsche des Einzelnen abzustimmen, bis der Sportler um das 26. Lebensjahr auf der Höhe seiner Leistungsfähigkeit steht.
Man braucht nicht schon in frühester Kindheit mit dem Judo begonnen zu haben, um auch als Erwachsener Spaß daran zu finden. Erwachsene stellen häufig sehr unterschiedliche Ansprüche an das Judo. Viele wollen sich „fit“ halten und suchen am Feierabend Spaß bei der Bewegung in einer Breitensportgruppe. Andere sind an dem Selbstverteidigungscharakter dieses Sports interessiert.
Im reiferen Alter steht nicht mehr das Wettkampfmoment im Vordergrund; vielmehr betreibt der ältere Judoka diesen Sport mit seinem vielseitigen Repertoire an Würfen und Techniken als eine Art Gymnastik mit Partner.